Die Ausstellung
Böbingen hat er hart getroffen  – der Streit um den „rechten Glauben“, der 1517 ausbrach. Die Folge, die bei uns bis heutigen Tags sichtbar ist: Im Dorfmittelpunkt von Unterböbingen steht keine Kirche wie in allen anderen Dörfern im weiten Umkreis, Oberböbingen eingeschlossen. Die Kirche steht auf der Anhöhe auf der anderen Seite der Rems, am „Kirchberg“. Weitere Konsequenzen, waren die völlig unterschiedliche Entwicklung der Gemeindeteile, besonders deutlich sichtbar im Bereich des Schulwesens. Der Hauptgrund für diese Entwicklung liegt in den besonders verwirrenden Herrschaftsstrukturen zur Zeit der Reformation. Sie hätten sich niemals so auswirken können, wenn die Entscheidung für den „rechten Glauben“ immer eine Gewissensentscheidung jedes Einzelnen gewesen wäre. Für Luther war das ja zunächst ein wichtiges Anliegen, wie man in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) nachlesen kann. In gewisser Weise erinnern Luthers Forderungen an die Charta der Menschenrechte. Die leibeigenen Bauern kämpften im Bauernkrieg um ihre Durchsetzung – und verloren. Durch ihre Verbindung mit Machtansprüchen wurde die Entscheidung für den „rechten Glauben“ zu einem Politikum, was sich nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 nur zu deutlich erweist. In Verbindung mit den Machtansprüchen der Leibeigenschaft wurde eine individuelle Gewissensentscheidung unmöglich gemacht. Nach dem Grundsatz „Cuius regio - eius religio“ (zu Deutsch „wessen Gebiet – dessen Religion“) bestimmte der jeweilige Grundherr über das Bekenntnis seine Untertanen. Für Ober- und Unterböbingen mit seinen vielen Herrschaften hatte das zwangsläufig die konfessionelle Zersplitterung zur Folge, mit Konsequenzen für das Miteinander in der Gemeinde. Eben diese Sicht der Geschichte hat den Geschichts- und Heimatverein bewogen, sich mit diesem Thema zu befassen und dazu diese Ausstellung zu organisieren. Die Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde, Frau Margot Neuffer, war uns dabei eine große Hilfe. Können wir diesen Jahrestag denn überhaupt feiern, den Jahrestag eines Ereignisses, das auch so viel Elend gebracht hat, schließlich sogar bis zur Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges geführt hat, der ja auch in Böbingen seine Spuren hinterließ? Ich meine ja, wenn wir das im rechten Sinne tun. Zum einen natürlich, weil wir im Geiste der Ökumene diese Spaltung inzwischen als überwunden ansehen. Zum anderen, weil bei uns offenbar die Intoleranz des „rechten Glaubens“ nur noch Geschichte ist. Das ist ein Grund stolz zu sein, denn selbstverständlich ist das keineswegs, wie der Blick auf den Nahen Osten zeigt. Besonderen Dank an Pfarrerin Margot Neuffer von der evangelischen Kirchengemeinde Oberböbingen, sowie an die Mitglieder unserer Arbeitsgruppe, die in zahlreichen Treffen die Ausstellung organisiert und diesen Katalog erstellt haben: Bernhard Abele, August Freudenreich, Dr. Erhard Grallath, und Christa Kopitz. Egon Dick Vorsitzender des Geschichts- und Heimatvereins Böbingen e.V. Jubiläen sind immer Rückblick und zugleich Standortbestimmung in der Gegenwart. Nachdem sich der Thesenanschlag Martin Luthers in diesem Jahr zum fünfhundertsten Mal jährt, wird mit einer Ausstellung der Folgen und Wirkungen der reformatorischen Bewegung für Böbingen bis heute gedacht. Anders als an den meisten anderen Orten in Deutschland mit jahrhundertealter evangelischer Tradition, haben in Böbingen stets beide Glaubenstraditionen nebeneinander und manchmal auch gegeneinander existiert. Ob man es wollte oder nicht – man kam nicht umhin, einander wahrzunehmen. Geschah das früher auch selten im Geiste gegenseitiger Wertschätzung, markierte doch die bloße Anwesenheit der anderen Konfession eine Grenze des eigenen Glaubenshorizonts. Früher hat man sich daran gestoßen. Heute ist man in der Lage, darin eine Bereicherung zu erkennen. Vielleicht wird gerade darin, dass man in aller Freiheit die Tradition des anderen achtet, ohne die eigene zu verleugnen, etwas von der Dynamik und Weite des reformatorischen Aufbruchs von damals spürbar. Der Rückblick auf Jahrhunderte des konfrontativen Nebeneinanders, den die Ausstellung gewährt, lässt uns dankbar innewerden, dass das evangelisch-katholische Miteinander in Böbingen heute den Geist versöhnter Verschiedenheit trägt. Pfarrerin Margot Neuffer